3 WEG DES ZIVILEN WIDERSTANDS

ETAPPEN: CASINA > GOMBIO > RONCROFFIO > FELINA

Auf der Karte sind folgende historische Orte markiert:

1 Gedenkstein für die gefallenen Partisanen
2 Gedenkstein am Molino della Grotte
3 Gedenkstein für die Gefallenen von Gombio
4 Gedenktafel für Augusta und Ida
5 Gedenktafel in Roncroffio
6 Gedenktafel für die gefallenen Partisanen
7 Brandschatzung von Roncroffio

Routeninformationen

Schwierigkeitsgrad GERING

Dauer 3 h 30′

Höhenmeter 618 mt

Rundweg NEIN

Parkplatz beim Friedhof in Casina

Haltestelle Casina

ZEITZEUGNISSE

„(…) Um den 20. Dezember 1944, kurz vor Weihnachten, erfuhr ich, dass die Deutschen planten, den kompletten Käsevorräte aus den großen Lagern der Firma Locatelli in Barco nach Deutschland zu schaffen. Es handelte sich um Zehntausende von Käselaiben, die für die deutsche Armee und für Deutschland einen kostbaren Nachschub bedeuteten. Es war ein wirklich großes Lebensmittellager.

Wir beschlossen, alle Lagerräume in Barco leerzuräumen, in denen sich viele Tausend Käselaibe befanden, eine enorme Menge. Die Verbringung nach Deutschland sollte verhindert werden.
Eine solche Menge Käse in einer Nacht in die verschiedenen angrenzenden Gebiete zu befördern, war ein riskantes und gefährliches Unterfangen, da sich in Montecchio, Cavriago, Bibbiano und Cadè faschistische Kasernen befanden. Barco war praktisch umgeben von zahlreichen feindlichen Einsatzkräften.

Die Durchführung dieser Operation bedeutete, dass wir das Eingreifen der Faschisten und der Deutschen einplanen mussten, und so organisierten wir innerhalb weniger Tage alle Partisanen aus den umliegenden Gebieten. Ich hielt in Barco eine Versammlung ab, in der ich sagte, dass wir unbedingt verhindern müssen, dass die Deutschen in den Besitz dieser Lebensmittel gelangen.

Ich habe alle angewiesen, die Bauern zu mobilisieren, die über Wagen oder Pferde oder Kühe oder Karren oder welches Transportmittel auch immer verfügten. In der Abenddämmerung des besagten Tages begannen wir mit der Operation: Unsere Partisanen kamen aus mehr als 20 benachbarten Orten in einem Umkreis von 8-10 km. Zusammen mit den Bauern und allen möglichen Transportmitteln öffneten wir die Lagerhäuser mit den Schlüsseln, die wir dem Lagerverwalter abgenommen hatten.

Wir beluden jedes Transportmittel, das vorfuhr: manche hatten Pferdewagen, bei anderen waren Kühe vorgespannt, manche kamen mit dem Handkarren, und wer in Nähe wohnte, war mit Schubkarren gekommen.
In der Zwischenzeit holten wir auch mit Locatellis Firmenlastwagen die Käselaibe aus dem Lager; wir fuhren sehr kurze Strecken und luden die Laibe dann auf den Feldern, in den Höfen und überall dort ab, wo es eine Zugangsmöglichkeit gab. Es handelte sich um 30-40 kg schwere Parmesankäse-Laibe: eine gigantische Arbeit, die nachts und im Dunkeln erledigt werden musste. Um zu verhindern, dass die Deutschen und Faschisten eintreffen, hatten wir in der Zwischenzeit alle benachbarten Kasernen blockiert und Straßensperren um die Kasernen von Cavriago, Montecchio und Bibbiano errichtet. Die Widerstandsgruppen an den Sperren hätten sich den eventuell ausrückenden Faschisten entgegenstellen sollen.

Die Kirche San Lorenzo in Roncroffio, 2007

Die Kirche San Lorenzo in Roncroffio, 2007

Gedenktafel an der Kirche in Roncroffio, 2017

Während der Operation hatten die Frauen die Aufgabe, das Eintreffen der deutschen oder faschistischen Truppen zu melden. Alle umliegenden Kasernen waren also von unseren Kräften umzingelt. In der Zwischenzeit hatte ich angeordnet, alle Telefon- und Telegrafendrähte in der Gegend zu kappen, um zu verhindern, dass die Faschisten den großen Aufruhr, der sich in der ganzen Gegend abspielte, nach Reggio meldeten. Ich leitete die Operation in Zusammenarbeit mit den Anführern der Resistenza der gesamten Gegend. Wir haben vom Abend bis zum Morgengrauen durchgearbeitet und konnten die Lagerhäuser fast vollständig leeren, weil sich in dieser Nacht Hunderte und Aberhunderte von Partisanen beteiligten. Am Morgen fand die Bevölkerung diese Käselaibe überall auf Feldern, Wegen und Höfen verstreut, und das zu einer Zeit, in der Menschen hungerten. Locatelli war der größte Käseproduzent Italiens, er hatte auch Lager in Reggio Emilia, in der Nähe der Reggiane-Werke, aber die größten Lager befanden sich in Barco. Dies war das am besten geeignete Gebiet für die Produktion und die Reifezeit, die zwei Jahre dauerte. Ich weiß gar nicht, ob er aus Reggio stammte, jedenfalls war er der größte Käseproduzent in Italien und hatte die größten Käselager.

Wir hatten die Wachen neutralisiert, und ihnen gesagt, sie sollten sich ruhig verhalten, nichts sagen. Selbst wenn sie gewollt hätten, sie konnten mit niemandem mehr kommunizieren. Die Bevölkerung hatte sich gegenseitig informiert und sich beteiligt. Der Käse gelangte in alle Häuser. Wir brachten den Käse überall hin, wichtig war nur, dass die Leute ihn dann mitnahmen; dann verteilten sie ihn untereinander.

Die Käselaibe wurden in einem Umkreis von 3-4 Kilometern um Bibbiano herum verteilt, bis nach Montecchio und Cavriago. In fast alle Bauernhäuser, auf die Höfe und in die kleinen Siedlungen, ganz besonders in die Siedlungen, denn da lebten die ärmsten, die am dringlichsten Nahrung brauchten. Die Aktion war zwar ein Erfolg, aber wir waren erschöpft, denn wir hatten die ganze Nacht bis zum frühen Morgen geschuftet und unsere ganze Aufmerksamkeit und Energie darauf verwendet. (…)”

Übersetzung von Auszügen aus: “Sirio” Paride Allegri, in G. Boiardi (a cura di), Il viaggio di un resistente, Reggio Emilia, Edizioni Diabasis, 2005, pp. 76-77.

Gedenktafel in Gombio, 2015

Gombio, zwei Frauen retten ein Dorf

Während der Vergeltungsmaßnahmen 1944 – der bereits 4 Tote im Dorf zum Opfer gefallen waren – suchten am 3. April deutsche und italienische faschistische Einheiten in Gombio nach jungen Wehrdienstverweigerern, Partisan:innen und Waffen. Gombio sei ein rebellisches Dorf, hieß es, aber bei der Suche wurde nichts gefunden. Alle Männer – ungefähr fünfzig – werden auf dem Hof der kleinen Käserei aufgereiht und mit Maschinengewehren bedroht; währenddessen gehen die Soldaten von Haus zu Haus und nehmen Wäsche, Musikinstrumente und Geld mit, wenn sie welches finden. Einer von ihnen betritt die Wohnung von Augusta Ludäscher, deren Haus direkt an dem Hof liegt, auf dem sich die Männer versammelt waren. Die 1881 in Deutschland geborene Frau hatte 1906 Narciso Piazzi – aus Gombio – geheiratet. Ohne um Erlaubnis zu fragen, nimmt sich ein Nazi Kraft seiner Uniform das Omelett, das Augusta gerade zubereitet hatte, und macht sich daran, es zu essen. „Haben dich deine Eltern so erzogen?“ sagt Augusta. Eine weitere Frau, Ida Roser, 1885 in Berlin geboren und mit Arciso Scarenzi verheiratet, lebte im mittleren Teil des Dorfes, während Augusta im oberen Teil wohnte. Ida und Augusta sprechen mit den Deutschen und gehen schließlich zum Kommando in Leguigno. Sie überreden die Kommandanten, Gombio zu verschonen. Alle Männer werden freigelassen, die beiden deutschen Frauen bleiben. Dank dieser beiden Frauen konnte das Dorf gerettet werden. Heute erinnert in der Nähe von Augustas Haus ein Gedenkstein an sie: weil sie nicht geschwiegen haben.

Ida Roser, 1940er Jahre

Aus dem Interview mit der Zeitzeugin Giacomina Castagnetti auf European Resistance Archive (ERA). Hier gibt es das ganze Interview.

HISTORISCHER KONTEXT

Das Fehlen von Nachschubstrukturen ist für die Partisanenverbände der erste Anlass, eine direkte Beziehung zur Zivilbevölkerung aufzubauen. Die Partisaneneinheiten benötigen sofort vorübergehende Verstecke und Verpflegung.
Ein Verhältnis zwischen den Widerstandskämpfer:innen und der Zivilbevölkerung wird vor allem im ländlichen Raum hergestellt und folgt keiner linearen Dynamik. In den Berggebieten reagieren die Bauernfamilien zunächst vorwiegend wohlwollend auf die ersten Widerstandskämpfer, insbesondere wenn es sich um einheimische Männer handelt. Das Misstrauen wächst mit der Ankunft „ortsfremder“ Kämpfer:innen. In vielen Fällen, so belegt es das kollektive Gedächtnis, treten Anzeichen von Unmut auf, wenn den Bauern über einen längeren Zeitraum hinweg Lebensmittel abgenommen werden. Im Normalfall stellen die Partisan:innen für jede Entgegennahme von Lebensmitteln und Vieh sogenannte „Gutscheine“ aus, die dann zwischen 1946 und 1947 von der demokratisch-republikanischen Regierung erstattet wurden.
Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den Bauernfamilien und den Partisan:innen hängt zudem entscheidend von den Bedingungen des Partisanenkrieges und der nationalsozialistischen und faschistischen Repression ab. Konfrontiert mit Vergeltungsmaßnahmen, ist die Resistenza fast immer machtlos und die lokalen Gemeinschaften bleiben ungeschützt. In der Po-Ebene hingegen – und hier ist die Emilia Romagna ein Musterbeispiel – unterstützen die Bäuer:innen (oft Landarbeiter:innen und Halbpächter) aktiv den Widerstand, weil sie in der Stärkung dieser Bewegung eine konkrete Möglichkeit zur sozialen Emanzipation sehen.
Der ländliche Raum spielte eine zentrale Rolle, da die faschistischen Terrorgruppen hier nach dem 1. Weltkrieg ihre Gewaltaktionen durchführten, indem sie Gewerkschafter töteten oder verprügelten und einen großen Teil der genossenschaftlichen Betriebe, der Gewerkschaftshäuser und der sozialistischen Gemeindeverwaltungen zerschlugen. Die Erinnerung an die Gewalt der Jahre 1921-22, die Verschlechterung der Lebensbedingungen und die Arroganz der Großgrundbesitzer haben dazu geführt, dass der Widerstandskampf in diesen Landstrichen Klassencharakter annimmt, und zwar in einem eindeutigen Bürgerkriegskontext. Wenngleich die allermeisten Partisan:innen einer neuen Generation angehören, besteht häufig eine Verbindung zwischen den Kämpfen von 1943-45 und einigen Zielen, die in den Jahren 1921-22 bereits erreicht worden waren. Infolgedessen nimmt der Widerstand in diesen Gebieten die Dimension einer Massenbewegung an, und das Verhältnis zwischen Bäuer:innen und Partisan:innen ist äußerst gut. Denn die Kämpfer:innen werden weniger wegen ihrer Zugehörigkeit zu Dorfbevölkerung sondern vielmehr aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur eigenen Klasse anerkannt, als Menschen, die für gemeinsame Ziele kämpfen. Die Garibaldi-Einheiten sind hier deutlich am stärksten vertreten.

Deutsches Plakat, Ende 1943

Von Partisan:innen kontrollierte Gebiete, Juli 1944

TOURISTISCHE INFORMATIONEN

CAFFÈ PEPE NERO

Via Caduti della Bettola 2, Casina
tel. 0522 608092
Donnerstag geschlossen

ALBERGO RISTORANTE PIZZERIA CENTRALE

P.zza del Municipio 1, Casina

tel. 0522 604051 – mobil 338 2633770

Montag geschlossen

20 Betten

ALBERGO RISTORANTE AQUILA NERA

Via Fratelli Kennedy 32, Felina

tel. 0522 619353

www.aquilanerafelina.itacquilanerafelina@gmail.com

Montag geschlossen

27 Betten

B&B L’UVA FRAGOLINA DEL FAGGETO

Via Faggeto 15, Leguigno (Casina)
tel. 0522 607343 – mobil 347 3053898
www.bebluvafragolina.comlucianabertolini@libero.it

Ganzjährig geöffnet
7 Betten

CIRCOLO ARCI GOMBIO

Via Mulino Zannoni, Gombio (Castelnovo ne’ Monti)

mobil 349 6133036

circoloarcigombio@gmail.com

In den Sommermonaten abends geöffnet; Montag bis Donnerstag geschlossen

CAFFÈ CENTRALE

Via G. Di Vittorio 2, Felina
Außer in den Sommermonaten Montag geschlossen

ERKUNDE ALLE PARTISANENWEGE

Es werden insgesamt 16 Partisanenwege im reggianer Apennin vorgestellt. Um die anderen Routen zu erkunden schau in den Bereich ALLE PARTISANENWEGE.