2 WEG DER ABTEILUNG „CERVI“

ETAPPEN: VETTO > LEGORECCIO

Auf der Karte sind folgende historische Orte markiert:

1 Denkmal für die gefallenen Partisanen
2 Denkmal für die Abteilung „Cervi“
3 Sitz des Kommandos in Costa
4 Zufluchtsort auf dem Monte Piano
5 Massaker von Legoreccio

Routeninformationen

Schwierigkeitsgrad GERING
Dauer 7 h

Höhenmeter 1085 mt

Rundweg JA
Parkplatz beim Rathaus in Vetto
Haltestelle Vetto

ZEITZEUGNISSE

Am Morgen des 17. November hörte ich Stimmen, deutsche und italienische Sprache. Sie sagten: ‚Partisanen, ergebt euch oder wir brennen alle Häuser nieder und töten euch alle!’ Daher meinten die Bauern hier, mit Verweis auf einen Brief, den der Anführer der Partisanen drei Tage vorher bei uns Zuhause vorgelesen hatte: ‚Ein Glück, dass die Partisanen und die Faschisten ihre Gefangenen austauschen, statt sich gegenseitig umzubringen.’ Deshalb sagte man: ‘Ergebt euch lieber, so vermeiden wir ein Massaker.’ Ein Teil der Partisanen wollte sich ergeben, ein anderer nicht. Ich wohnte in einem Häuschen hier unterhalb. Meine Frau ging ans Fenster um zu sehen, wer unten im Hof war, und ich sah, wie ein Deutscher das Gewehr auf sie richtete und ich rief: ‚Wirf’ dich hin, sie schießen auf dich.’ Da hat sie sich hingeduckt. Das Geschoss schlug durch das Fenster, streifte einen Balken an der Decke und trat dann zum anderen Fenster wieder aus. Ich habe dann gesagt: ‚Ich gehe hinunter, so rettet ihr euch zumindest.‘ Ich hatte eine Ehefrau und zwei kleine Mädchen. Ich bin hinunter in die Küche gegangen und dann habe ich langsam und vorsichtig die Tür geöffnet und gedacht: ‚Wenn ich kann, hau ich ab.’ Ich hörte die Salve einer Maschinenpistole und die Schmerzensschreie eines Partisanen, der aus dem Fenster gesprungen war und versucht hatte, zu fliehen. Sie hatten ihn getötet. Ich dachte: ‚Wenn ich rausgehe, ende ich genauso.’ Als ich die Tür öffnete, sind sie zu dritt hereingekommen, die Maschinenpistole auf mich gerichtet: ‚Hände hoch!‘ Dann haben sie gesagt: ‚Raus!’ Ich bin rausgegangen und habe gefragt, ob ich mir noch eine Jacke anziehen darf, denn ich fror. Einer von ihnen hat mir eine Ohrfeige gegeben, so als wolle er mir sagen: ‚Ruhe!‘ Ich fror sehr.
Innenhof des Corte dei Da Palude, Legoreccio

Innenhof des Corte dei La Palude, Legoreccio

Ein deutscher Unteroffizier ging zu seinem Hauptmann und zum Leutnant der faschistischen Milizen und sie setzten sich auf ein Mäuerchen. Als einer meiner Bewacher auch zum Hauptmann kommen sollte, bot sich ein anderer an, ein Auge auf mich zu werfen. Den bat ich, ins Haus gehen zu dürfen, um mir eine Jacke zu holen. Er antwortete: ‚Ja, aber ich komme mit.‘ Zurück im Haus nahm ich die Jacke, die er untersuchte und in deren Tasche er drei Mark fand. ‚Ah’, schrie er: ‚du hast einen Deutschen umgebracht und ihm das Geld abgenommen!’ Ich sagte: ‚Ich habe in Deutschland drei Jahre lang gearbeitet.‘ – ‚Immer bei demselben Arbeitgeber?‘ fragte er mich. ‚Ja‘, habe ich geantwortet. -‚In welcher Gegend?‘ – ‚In Niedersachsen.‘ – ‚Ah, in meiner Heimat!‘ rief er. Und er versprach mir: ‚Wenn ich kann, rette ich dich.’ Dann brachte er mich zu einem Bauern hier in der Nähe und gab mir einen Milchkaffee und eine Scheibe Salami. Ich bekam die Salami nicht hinunter, weil ich den toten Partisanen mitten auf der Straße liegen gesehen hatte. Ich wartete, bis der Unteroffizier in eine andere Richtung schaute und spuckte sie schnell auf den Boden. Dann kehrten wir zum Hauptmann zurück und dem sagte er: ‚Den habe ich aus seinem Haus geholt, der müsste freigelassen werden.’ Der Hauptmann schaute zum Leutnant der faschistischen Miliz und machte ihm durch ein Zeichen klar, dass er mich zusammen mit sechs weiteren Gefangenen nach Buvolo transportieren sollte, wo sie ein Mittagessen in der Osteria Picchi bestellt hatten. Hinter dem Gebetshaus waren die Deutschen und die Faschisten, sie verhörten und prügelten diese Partisanen. Sie durchsuchten sie nach irgendwelchen Sachen, dann ließen sie einen nach dem anderen mit erhobenen Händen herunterkommen und in den Innenhof gehen. Meine Frau hatte mir einen Stoffbeutel mit Äpfeln zugesteckt, aber ein Leutnant der Milizen kam näher und sagte: ‚Du bist es nicht wert, diese Sachen zu essen.‘ Er riss sie mir aus der Hand und aß vor meinen Augen die Äpfel auf. Auf der Fahrt nach Buvolo sagte der deutsche Unteroffizier immer mal wieder zu mir: ‚Wenn ich kann, rette ich dich.‘ Er hielt sein Versprechen! Während die anderen aßen, bekam er vom Hauptmann die Erlaubnis, mich gehen zu lassen, indem er argumentierte: ‚Die Partisanen habt ihr gefangengenommen. Damit habt ihr euer Ziel erreicht. Den hier habe ich in seinem Haus angetroffen, wo er mit seiner Familie war. Er ist Zivilist, der sollte nicht getötet werden. Oder bringt ihr nach Belieben alle um, die euch über den Weg laufen?’ Er hat mir dann geraten: ‚Geh rauf zur Straße und bleib auf ihr, wenn nicht, bringt dich irgendwer im Gelände um. Nimm die Straße und versuche, nach Hause zu kommen. Wenn sie dich nochmal gefangen nehmen und runterterbringen, werde ich wieder dafür sorgen, dass du frei kommst. Aber bleib auf der Straße.’ Das tat ich dann auch.

Als ich im Dorf ankam, fragte ich meinen Vater, wo die Partisanen seien, die im Innenhof geblieben waren. Er antwortete mir: ‚Da drin stehen drei Karren. Auf jedem sind sechs Tote.’ Kurze danach kam ein Partisan, der sagte, ich solle zum Friedhof von Crovara gehen, wo wir sie beerdigen sollten. Wir haben das Loch gegraben. Sie haben den ersten Karren dorthin gebracht und als ich sah, dass bei einer der Leichen das Blut noch aus dem Mund lief, habe ich gesagt: ‚Ich halte das hier nicht aus, ich muss abhauen.’ Ein Partisan hat mir geantwortet: ‚Wenn das alle so machen würden ….’ Ich habe wiederholt, dass mir übel wird und bin abgehauen. Sie haben dort alle 18 zusammen in einem Gemeinschaftsgrab bestattet, nur in Fallschirmstoff eingewickelt.“

Übersetzung von Auszügen aus: Delmiro Rabotti, in A.Nobili, L’eccidio di Legoreccio, Comune di Vetto, 2002, pp. 18-19

Denkmal in Legoreccio

Gedenktafel über dem Eingang des Patrizierhauses
in Legoreccio, 2007

Der Mispelbaum des Partisanen

Im Herbst 1944 muss sich der Partisan „Volpe“ Francesco Bertacchini wegen eines starken rheumatischen Fiebers von seiner Abteilung „Fratelli Cervi“ (Brüder Cervi) lösen, um sich in der Krankenstation von Pieve San Vincenzo behandeln zu lassen. So entgeht er dem Massaker an seiner Einheit in Legoreccio. Einige Zeit darauf übernehmen „Volpe“ und seine neue Abteilung „L’Antifascista“ (Antifaschist) die Position der Abteilung „Cervi“ und lassen sich in Legoreccio nieder. Auf den ungewöhnlichen Befehl ihres Kommandanten „Falco“ Zini hin graben „Volpe“ und andere Partisanen einen jungen Mispelbaum aus und pflanzen ihn hinter der Bar ein. Über Jahrzehnte wurden die Früchte des Baumes immer dann reif, wenn Mitte November die Gedenkveranstaltungen für das „Cervi“ stattfanden. Den alten Baum gibt es nicht mehr. Aber 2011 wurde hinter dem Denkmal eine neue „Partisanenmispel“ gepflanzt.

Der neue Mispelbaum, 2011
Aus dem Interview mit dem Zeitzeugen „Volpe“ Francesco Bertacchini auf European Resistance Archive (ERA). Hier gibt es das ganze Interview.

HISTORISCHER KONTEXT

Das Gebiet um Reggio Emilia und insbesondere die Bergregion sind im Zusammenhang mit den deutschen militärischen Aktivitäten von großer Bedeutung: erst während ihres Rückzugs nach Norden sowie später entlang der Goten-Linie. Aus eben diesen Bedingungen werden die repressiven Strategien gegenüber den Partisanenformationen abgeleitet. In der ersten Phase (Januar bis Juli 1944) versuchen die Deutschen zu verhindern, dass sich die Partisaneneinheiten in den Bergzonen festsetzen. Sie unternehmen dazu eine Reihe von Durchkämmungsaktionen und „präventiven“ Massakern, wie das 20. März 1944 in Cervarolo (Reggio) und in Monchio, Susano und Costringano (Provinz Modena). Diese Aktionen führen zu mehr als 150 Opfern unter der unbeteiligten Zivilbevölkerung. Ziel der Deutschen ist es, eine von Partisan:innen „gereinigte“ Zone nördlich des Apennin zu schaffen, was in Anbetracht des zu erwartenden Rückzugs im Sommer von entscheidender Bedeutung sein kann. Strategisch gleich wichtig ist die Verteidigung der großen Verbindungswege zur Front. Jeder Angriff auf deutsche Truppen wird grausam gerächt, entweder mit sofortigen Vergeltungsmaßnahmen wie im Falle des Massakers von Bettola (32 getötete Zivilisten) oder mit länger geplanten Aktionen wie der „Operation Wallenstein“ in den Monaten Juni bis Juli 1944. Mit dieser Aktion soll nicht nur verhindert werden, dass sich die Partisaneneinheiten um die Republik von Montefiorino in aller Ruhe organisieren und festsetzen können. Es sollen zudem Zwangsarbeitskräfte für die Industrie des Deutschen Reichs eingefangen werden. Durchkämmungsaktionen, Vergeltungsmaßnahmen und Deportationen sind die Mittel, die die Deutschen einsetzten, um die Partisanenbewegung zu zerschlagen oder zumindest einzudämmen. All das in enger Zusammenarbeit mit den italienischen Faschisten. Den Einheiten der Partisan:innen gelingt es jedoch dank der Unterstützung durch die Bevölkerung und mit der logistischen und militärischen Hilfe der Alliierten, bis zum Kriegsende zu wachsen und sich zu entwickeln. Sie behalten die Kontrolle über große Teile der Reggianer Gebirgsregionen. Schon im Juni 1944 sind die italienischen Faschisten gezwungen, alle ihre Stützpunkte und Kasernen in den Bergen aufzugeben und bei ihrem letzten Versuch eine Bresche in die Partisanenstellungen zu schlagen, werden sie am 25. Mai beim Gefecht an der Brücke „Ponte della Governara“ aufgehalten und erleiden erhebliche Verluste.
Angesichts der umfassenden Kontrolle großer Gebiete durch die Partisan:innen beschränken sich die Deutschen in der zweiten Phase (Herbst/Winter 1944) darauf, die Kontrolle über die Staatsstraße SS 63 zu behalten. Sie richten eine Reihe von bewaffneten Stützpunkten entlang der Staatsstraße ein. Desweiteren werden hin und wieder Durchkämmungs- und Vergeltungsaktionen gestartet, die häufig von den spezialisierten Einheiten der Anti-Guerilla-Schule (Lehrstab für Bandenbekämpfung) angeführt werden. Ein Stützpunkt des Lehrstabs war zunächst in Pantano, dann in Ciano d’Enza. Von hier wird das Tal des Flusses Enza mit Tötungen und Verwüstungen übersät. Zu den Aktionen des Lehrstabs für Bandenbekämpfung gehören das Massaker in Legoreccio, der Angriff auf Rabona und dutzende von Erschießungen in Ciano d’Enza. Nach der zeitweiligen Selbstauflösung der Partisaneneinheiten während der großen Durchkämmungsaktionen im Sommer gelingt es der Resistenza jedoch, sich unter militärischen Gesichtspunkten neu zu organisieren und sich den Durchkämmungs- und Vergeltungsaktionen im Januar und April 1945 mit strukturiertem Widerstand wirkungsvoll entgegenzustellen.

Partisanen in Costa

TOURISTISCHE INFORMATIONEN

RISTORANTE PIZZERIA AL DAINO

Piazza Marconi 1, Vetto

tel. 0522 815172

Montag geschlossen sowie den ganzen Monat Oktober

BAR RISTORO EUROPA

Via Val d’Enza 17, Vetto

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IL PONTACCIO

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TRATTORIA PIZZERIA SERENA

Via Pineto 14/a, Vetto

tel. 0522 812341

Montag geschlossen

ERKUNDE ALLE PARTISANENWEGE

Es werden insgesamt 16 Partisanenwege im reggianer Apennin vorgestellt. Um die anderen Routen zu erkunden schau in den Bereich ALLE PARTISANENWEGE.